Wie werden sich die Stadtteile in den Außenbezirken langfristig verändern?
Henrik Strate: Städte sind immer einem Wandel unterzogen, kein Stadtteil sieht so aus wie vor fünfzig Jahren. Veränderung muss ja auch nicht schlecht sein. Beispielsweise gab es in meinem Stadtteil vor dreißig Jahren nur zwei Kitas. Das sieht heute zum Glück ganz anders aus. Aber man muss sorgfältig darauf achten, dass lokale Identitäten erhalten bleiben und sich die Menschen mitgenommen fühlen und aufgefordert sind, mitzumachen.
Welche Chancen bietet die Magistralbebauung?
Es werden neben der städtebaulichen Dimension zwei wesentliche Ziele verfolgt: Durch eine stückweise Erhöhung der Geschossigkeit, durch einen Austausch von Einzelhäusern durch Mehrfamilienhäuser und durch straßenparallele Gebäudestrukturen lassen sich mehr Wohnungen per Quadratmeter unterbringen, die gut erschlossen sind. Modelle wie der Expressbus entlang dieser Straßen oder die Nähe zu S-Bahn-Stationen sorgen für eine nachhaltige Stadtentwicklung statt der Vernichtung von Grünflächen. Heutige Lärmschutz- und Belüftungstechniken machen Wohnen an der Hauptverkehrsstraße auch deutlich angenehmer als es bislang erschien.
Durch eine straßenparallele Bebauung, statt Zeilenbauten, werden die dahinter liegenden Wohnquartiere, oftmals geprägt durch Einzelhäuser mit Gärten, vom Lärm abgeschottet. Das ist ein hoher Qualitätsgewinn für die zweite und dritte Reihe.
Werden dadurch nicht manche Einwohner verdrängt, weil auf ihren Grundstücken höher gebaut werden wird?
Wer im Eigentum lebt, hat große Chancen, diese zu einem anständigen Preis zu verkaufen und damit entweder vor Ort oder woanders im Stadtteil eine neue Wohnung zu kaufen. Mieter müssen natürlich damit rechnen, wenn sie in einem kleinen Haus wohnen, dass der Eigentümer dies vielleicht verkaufen oder anders bebauen möchte. Ich glaube, dass hier das Gespräch wichtig ist, um Ungewissheit zu nehmen.
Müssen denn überall an der B431 fünfstöckige Hochhäuser entstehen?
Nein. Zum einen fangen Hochhäuser per Definition erst ab etwa neun Stockwerken an. Zum anderen sehen die Diskussionen bisher - je nach Partei - drei bis vier Geschosse vor. An bestimmten städtebaulichen Punkten werden es vielleicht fünf werden, etwa an der Ecke am Sülldorfer Bahnhof. Solche „Eingangsbereiche“ sind städtebaulich begründet und machen meistens auch Sinn. Wichtig ist, dass bei den einzelnen Projekten genau auf den Ort geblickt wird. Beispielsweise auf der Nordseite der Sülldorfer Landstraße musste der Architekt deutlich abstaffeln, um angesichts der Topografie keine zu massive Mauer zur Bebauung nördlich der Gleise zu schaffen.
Wie können sich Bürger an der stadtplanerischen Gestaltung beteiligen?
Die ersten Veranstaltungen gab es schon. Mir ist das zu wenig, und das sehen alle Parteien so. Die Bebauung der Magistralen ist zu wichtig für die Identität unserer Stadt, als dass man dies nur wenigen Stadtplanern und Projektentwicklern überlassen darf. Das Bezirksamt hat kürzlich eine Konzeptidee für die Beteiligung vorgelegt, das noch nicht weit genug geht. Beispielsweise reicht nicht eine Veranstaltung für ganz Altona aus. In jedem Stadtteil muss es eine Planungswerkstatt geben, müssen Ideen für die Zukunft gesammelt und entwickelt werden. Und auch online muss es ordentliche und funktionierende Formate geben. Die Pandemie hemmt diese Live-Veranstaltungen zwar gerade, sie bietet uns aber auch genug Zeit, ein sorgfältiges Konzept zum Mitmachen zu entwickeln und die notwendigen Ressourcen dafür einzuwerben.
Wenn man nicht ordentlich miteinander redet, passiert so etwas wie am Flottbeker Markt. Dort kommt ein Entwickler mit völlig überzogenen Plänen und bringt binnen Wochen den Stadtteil und die Politik gegen sich und die Idee der Magistrale auf. Hier braucht es eine Planungswerkstatt mit den Menschen vor Ort, um gemeinsam zu überlegen, wie eingeschossige Discounter vermieden und passende Alternativen gefunden werden.
Kann es gelingen, die unterschiedlichen Charaktere der Stadtteile zu erhalten?
Die Magistralen sind in Hamburg ja nicht so geplant wie in anderen Metropolen. Die B431 ist als Schneise durch den Hamburger Westen „geschlagen“ worden und hat dabei Dorfkerne wie in Sülldorf einfach kaputt gemacht oder neue zentrale Orte wie in Flottbek geschaffen. Dass sich Stadtplaner nun mit diesen Orten beschäftigen, ist erstmal gut. Am Ende darf aber keine Gleichmacherei herauskommen. Die wichtigen Orte für Identität und Heimat, wie beispielsweise der Sülldorfer Bäckerplatz oder Flottbeker Markt, müssen als erkennbare Stadtteilzentren erkennbar bleiben oder betont werden. Da liegen große Potenziale.