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André Trepoll: 100 Tage Opposition

Von hier aus macht André Trepoll Politik: Sein Sitz in der Bürgerschaft direkt vor dem Senat Von hier aus macht André Trepoll Politik: Sein Sitz in der Bürgerschaft direkt vor dem Senat Foto: Markus Krohn

Hamburg-Elbvororte (16.06.2015, Markus Krohn) · André Trepoll, der neue CDU-Bürgerschaftsfraktionsvorsitzende, ist seit 100 Tagen im Amt. Der 37-jährige Familienvater ist Volljurist und kommt aus Harburg. DorfStadt-Redakteur Markus Krohn traf den Fraktionsvorsitzenden der CDU in seinem Büro im Rathaus – mit Blick auf den Rathausplatz.

DSZ: Zurzeit heftig diskutiert werden die Themen Olympia und Volksbefragung dazu. Wie hat sich die Stimmung nach der Bürgerschaftswahl vor 100 Tagen verändert: Gibt es immer noch eine große Politikmüdigkeit?

Trepoll: Olympia ist eine einmalige Chance für Hamburg, die wir alle gemeinsam ergreifen sollten. Dabei ist eine sorgfältige Planung eine Grundvoraussetzung. Hier ist der Rot-Grün in der Pflicht. Der Senat hat den Hamburgern zugesagt am Anfang der Olympiabewerbung die Bürger zu befragen. Das ist ein wichtiges Versprechen. Gerade aus der Erfahrung früherer Großprojekte, wie Stuttgart 21 oder der Elbphilharmonie, ist es die richtige Konsequenz die Bürger frühzeitig und transparent an solchen Projekten zu beteiligen, möglichst schon bevor Kosten entstehen. Daher haben wir als CDU bereits in der vergangen Legislaturperiode den Vorschlag eingebracht, die Bürger an grundsätzlichen gesamtstädtischen Fragen zu beteiligen. Insofern finde ich das neue Gesetz für ein Bürgerschaftsreferendum vernünftig und hilfreich. Senat oder Bürgerschaftsabgeordnete können jetzt bei wichtigen Fragen direkt das Volk befragen. Dabei müssen den Bürgern stets neutrale Fragen vorgelegt werden. Das ist ein großer Unterschied zu Volksbefragungen, die von Volksinitiativen ausgehen, wo in der Regel die Fragen immer subjektiv formuliert sind. Dass Mehr Demokratie dieses Mehr an Demokratie ablehnt, finde ich schon sehr merkwürdig. Ich glaube, da sind ein wenig die Perspektiven verschoben worden. Die sehen sich ein bisschen als Bewahrer ihrer Initiativrechte, die durch das Bürgerschaftsreferendum allerdings überhaupt nicht eingeschränkt werden. Die entscheidende Frage ist doch, wie man als Bürger mehr Einflussmöglichkeiten erhält. Wir haben mit unserem gemeinsamen Vorschlag für ein Bürgerschaftsreferendum, glaube ich, eine ganz gute Antwort darauf gefunden.

DSZ: Das heißt, Sie wollen die Menschen mehr an Politik beteiligen? Die meisten von ihnen sind ja eher nicht so an Politik interessiert…

Trepoll: Wenn man sich die Mitgliederentwicklung in den Parteien so anschaut, kann man durchaus diesen Eindruck haben. Das geht derzeit allen Parteien so. Wir freuen uns über jedes neue Gesicht. Bei vielen Bürgern kommen die politischen Diskussionen heute anscheinend leider einfach nicht an. Viele sind wohl der Meinung, dass sich die Parteien zu wenig unterscheiden. Dieser Eindruck wird durch die derzeitige Große Koalition in Berlin natürlich verstärkt. Manche Menschen haben vielleicht das Gefühl, dass mal der eine seinen Willen bekommt und mal der andere und dass an die Sorgen und Anliegen der Bürger dabei gar kein Gedanke mehr verschwendet wird. Das ist jedoch falsch. Ich glaube dass wir Politiker, insbesondere Oppositionspolitiker, Themen wieder besser zuspitzen und ihre Alternativen aufzeigen müssen. Nicht als Selbstzweck, sondern um deutlich zu zeigen, wofür wir eigentlich stehen. Ich will aber auch betonen, dass die Funktionsfähigkeit der Demokratie und unseres Gemeinwesens entscheidend davon abhängt, dass sich Menschen politisch engagieren und einbringen. Jeder Mensch, der das im Rahmen unserer verfassungsmäßigen Grundwerte tut, ist insofern ein Gewinn für die Demokratie.

DSZ: Sie haben ja in ihren ersten 100 Tagen dafür schon ein großes Medienecho bekommen. Glauben Sie, dass Sie das die nächsten 5 Jahre durchhalten können?

Trepoll: Für uns ist entscheidend, dass wir nicht nur über die großen Leitmedien zu den Menschen durchdringen, sondern auch diejenigen erreichen, die jetzt nicht den ganzen Tag vorm Radio sitzen oder ein Tageszeitungs-Abonnement haben. Also zum Beispiel die Leser der DorfStadt-Zeitung oder anderer lokalen Medien. Thematisch wollen wir gerade in unseren klassischen Kompetenzfeldern wie Wirtschaft, Verkehr und Inneres in Zukunft wieder deutlich präsenter werden. Entscheidend ist, dass unsere Themen und Botschaften bei den Menschen ankommen.

DSZ: Immer mehr Flüchtlinge strömen nach Hamburg. Kann sich Hamburg die Flüchtlingsunterbringung auf Dauer leisten? Wie können die Flüchtlinge besser integriert werden? Oder sollen sie ihrer Meinung nach schnellstmöglich zurück in ihre Heimat?

Trepoll: Zunächst einmal müssen wir die unglaubliche Hilfsbereitschaft der Hamburger loben. Ich glaube, dass die Politik in Hamburg aber deutlich mehr Kraft zur Differenzierung braucht. Viele Menschen flüchten derzeit vor Krieg und Terror zu uns und kommen aus Ländern, in die sie vermutlich lange Zeit nicht mehr zurückkehren können. Damit die Hilfsbereitschaft der Hamburger aber weiterhin bestehen bleibt, müssen wir sicherstellen, dass Menschen, die allein aus wirtschaftlichen Gründen und aus sicheren Herkunftsländern zu uns kommen, auch zügig und konsequent wieder zurückgeführt werden. Das bedeutet für mich keinen Rechtsruck der CDU, sondern ist die gebotene Abwägung der unterschiedlichen Lebensumstände jedes einzelnen Flüchtlings. Die CDU steht für Hilfsbereitschaft und Humanität, aber auch für rechtstaatliches und konsequentes Handeln. Deshalb müssen wir auch kritische Fragen stellen dürfen. Große Probleme gibt es derzeit insbesondere bei der Durchführung der Asylverfahren. Im Schnitt dauern die rund 4 Monate. Problematisch sind insbesondere jene Fälle, die vor dem Verwaltungsgericht landen. Das Verwaltungsgericht ist seit Jahren notorisch unterbesetzt. Deshalb ziehen sich diese Verhandlungen viel zu lange bis zu einer Entscheidung hin. Die CDU-Fraktion fordert seit langem, dass die derzeit 18 unbesetzten Richterstellen zügig nachbesetzt werden. Wenn von den 300 Millionen Euro, die Hamburg nach derzeitiger Haushaltplanung zusätzlich für die Flüchtlingsunterbringung ausgeben wird, 3 Millionen Euro für die Finanzierung der unbesetzten Richterstellen verwendet werden, könnten die Verfahren beschleunigt und so die Ausgaben für die Unterbringung von Flüchtlingen insgesamt verringert werden. Alleine damit hätten sich die zusätzlichen Richterstellen gelohnt und refinanziert. Die SPD hat unseren Antrag aber leider abgelehnt und lediglich zwei Stellen nachbesetzt – und das auch nur erst einmal nur für einen Zeitraum von eineinhalb Jahren. Aus unserer Sicht ist das verantwortungslos und schadet dem Rechtsfrieden in der Stadt.

DSZ: Der Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen trägt erste Früchte. Jetzt soll zum Beispiel ein Teil des Ring 3 im Rugenfeld von vier auf zwei Fahrspuren verengt und dafür mit zwei großzügigen Fahrradspuren ausgelegt werden. Können Sie das gutheißen?

Trepoll: Die Verkehrsthemen bereiten mir in der Tat große Sorgen. Es zeigt sich, dass der Senat in den vergangenen Jahren einfach zu wenig in die Infrastruktur investiert hat. Wenn die Verkehrsteilnehmer gegeneinander ausgespielt werden sollen, indem aus Hamburg eine „Fahrradstadt“ gemacht werden soll, wie es im Koalitionsvertrag heißt, finde ich das höchst bedenklich. Grundsätzlich finde ich es gut, den zunehmenden Fahrradverkehr zu unterstützen und die vorhandenen Fahrradwege zu sanieren und gegebenenfalls auszubauen, aber man sollte schon schauen, dass die Maßnahmen auch mit der Verkehrsrealität im Einklang stehen. Der Grundsatz, leistungsfähige Hauptverkehrsstraßen und verkehrsberuhigte Wohnstraßen muss auch weiterhin Gültigkeit haben.

DSZ: Das Wohnungsbauprogramm des Senates nützt vielen, einige vor allem Elbvorortler befürchten aber eine zu enge Verdichtung. Wie viele neue Wohnungen verträgt Hamburg eigentlich noch?

Trepoll: Es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass es derzeit einen erheblichen Run auf die Städte gibt. Darauf muss auch Hamburg reagieren. Natürlich muss man im Einzelfall klären, wo eine Verdichtung Sinn macht. Klar ist, wir brauchen weiterhin großzügige Parks und Grünanlagen. Das ist eine Frage der Lebensqualität und mit uns nicht verhandelbar.

DSZ:…ganz besonders für die Landwirte in Sülldorf, die befürchten, dass sie durch einen neuen Bebauungsplan und Ausgleichsflächen für den Ausbau der A7 vertrieben werden sollen…

Trepoll: Ja natürlich. Für mich gehören die Bauern auch in Hamburg zu unserer Kultur dazu und ich freue mich, dass ich meinen Kindern zeigen kann, wo in meinem Wahlkreis die Erdbeeren wachsen. Das ist nämlich nicht der Supermarkt! Landwirtschaft gehört zu Hamburg, da gilt für mich auch Bestandsschutz. Vor allem für die Familien, deren wirtschaftliche Existenz davon abhängt. Die Stadt kann sich auch alternative Ausgleichsflächen außerhalb Hamburgs suchen.

DSZ: Wie wollen Sie eigentlich mit der nach der letzten Bürgerschaftswahl stark dezimierten CDU-Fraktion optimale Oppositionsarbeit machen? Ist Ihre Erneuerung abgeschlossen? Oder ist das eher ein Schlachtruf?

Trepoll: Für die Fraktion ist die Zeit der Aufarbeitung abgeschlossen. Wir haben die verfassungsmäßige Aufgabe, den Senat zu kontrollieren und zu überwachen und sinnvolle Alternativen vorzuschlagen. Zum Glück haben wir in unserer Fraktion sehr engagierte Leute, wie zum Beispiel Franziska Grunwaldt und Karin Prien aus dem Hamburger Westen; insofern bin ich optimistisch, trotz der geringeren Zahl an Abgeordneten. Uns ist aber natürlich bewusst, dass das eine harte Aufgabe wird. Wir stehen mit unseren gerade 20 Abgeordneten schließlich einem Senat mit insgesamt 27 Senatoren und Staatsräten gegenüber – und das ist nur der Wasserkopf der Behörden. Für uns war wichtig, erstmal eine inhaltliche und personelle Grundlage zu legen. Dies ist geschehen. Jetzt widmen wir uns den eigentlich wichtigen Themen, und der Frage wohin wollen wir mit unserer Stadt?