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Osdorf (25. November 2016, Markus Krohn) · Viele Initiativen sind im vergangenen Jahr neu entstanden, um den Flüchtlingen das Ankommen in Hamburg zu erleichtern. Auch die Behörden haben sich inzwischen darauf eingestellt und die Verfahren verkürzt. So ist der Berichterstattung der aktuellen Medien zu entnehmen.
Doch noch immer hakt es in der Zusammenarbeit zwischen hiesigen und Heimat-Behörden sowie engagierten Helfern. So kommt es immer wieder zu Situationen, in denen auch hierzulande Flüchtlingen das genommen wird, das sie so dringend benötigen: Halt und Sicherheit. Ein aktuelles Beispiel beschäftigte gerade die Bezirksversammlung Altona, denn eine Nachbarschaftsinitiative in Osdorf hatte sich u.a. an die Bezirksabgeordneten mit der Bitte gewandt, sich für drei Flüchtlingsfamilien in der Tietzestraße einzusetzen, die zum 20. Dezember ihre Unterkunft räumen und anschließend in eine Sammelunterkunft gebracht werden sollen – nur wenige Tage vor Weihnachten!
Was war passiert? In einem Schreiben an die SAGA GWG beschreiben die Nachbarn das so: „Viele Nachbarn haben sich in unzähligen Stunden darum bemüht, den Familien und insbesondere den Kindern das Ankommen zu erleichtern. Wir waren überrascht von dem Ausmaß notwendiger Hilfestellungen; nachbarschaftliche Hilfe war oft nicht ausreichend, vielmehr waren sozialrechtliche und sozialpädagogische Qualitäten gefragt, was uns teilweise sehr gefordert hat…“ Die Nachbarn der beiden afghanischen und einer syrischen Familie sehen ihre Bemühungen als sehr erfolgreich an und fürchten um die gelungene Integration der betroffenen Flüchtlingsfamilien:  „…für die insgesamt 14 Kinder der drei Familien wäre es eine Katastrophe, nun wieder von vorne anfangen und sich erneut ein soziales Umfeld aufbauen zu müssen. Wie viel Arbeit hat es beide Seiten gekostet, geeignete Schulen, Ärzte, Kindergärten, Sportvereine, Deutschkurse, etc. zu finden, sich auf einander einzulassen, sich kennenzulernen und Vertrauen zu gewinnen.“
Der Hauptausschuss der Bezirksversammlung Altona setzte sich mit seinen Möglichkeiten für die Flüchtlingsfamilien ein und beschloss, die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration und die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen aufzufordern, die SAGA GWG dazu zu veranlassen, diese Kündigungen zurück zuziehen, um die erfolgreiche Integrationsarbeit zu schützen und zu sichern. Auf Anfrage der DorfStadt-Zeitung wiesen die Pressesprecher der genannten Behörden ihre Zuständigkeit zurück und verwiesen an Fördern und Wohnen, die für die Betreuung zuständig sei.
Die Pressesprecherin von f&w fördern und wohnen, Susanne Schwendtke, äußerte sich dann sehr ausführlich zu dem Fall und bittet um Verständnis für die Maßnahme: „f&w hat 2015 in Osdorf, u. a. in der Tietzestraße, 15 Wohnungen für öffentliche Unterbringung von Geflüchteten befristet von der SAGA GWG angemietet - um in der Zeit des großen Zuzugs von Schutzsuchenden Obdachlosigkeit zu verhindern. Circa. 100 Personen sind dort untergebracht. Verabredungsgemäß laufen unsere Mietverträge nun aus. Deshalb suchen wir derzeit nach 100 freien, jeweils passenden Unterbringungsplätzen.
Nach Möglichkeit werden die betroffenen Personen, vor allem die Familien mit Schulkindern, im Bezirk Altona untergebracht. Bei der Belegung der vorübergehend angemieteten SAGA-Wohnungen stand von vornherein fest, dass die Bewohnerinnen und Bewohner dort nicht würden bleiben können. Sie wurden stets darüber informiert, dass sie würden umziehen müssen.
Generell ist öffentliche oder öffentlich-rechtliche Unterbringung immer eine Bleibe auf Zeit. Unterbringung bedeutet im Gegensatz zu dem, was man unter „Wohnen“ versteht, die Verhinderung von Obdachlosigkeit wohnungsloser Menschen. Man erhält einen Platz in einer Unterkunft, für den man eine Gebühr entrichtet. Man erhält keine Wohnung. Ein Zimmer wird mit 2 bis 3 Personen belegt.
Wenn die Unterbringung in Wohneinheiten mit Wohnungszuschnitt stattfindet, kommt es vor, dass eine Familie eine Wohneinheit mit Zimmern, Küche, Diele, Sanitär für sich hat. Dann wirkt es, als wohne sie dort, als sei es ihre Wohnung. Dies führt oft bei Außenstehenden zu dem Irrtum, die Familie habe nun eine eigene Bleibe auf Dauer. Wer öffentlich untergebracht ist, ist aber verpflichtet, sich um Wohnraum zu bemühen, und findet diesen Wohnraum nicht unbedingt in der Nähe der Unterkunft. Die Integration in die Nachbarschaft ist bei öffentlicher Unterbringung somit unvermeidlich eine Integration auf Zeit - so bedauerlich das ist, wenn sich gute Kontakte in der Nachbarschaft entwickelt haben.
Es ist nachvollziehbar und ein erfreuliches Zeichen guter Nachbarschaft, dass Menschen in der Tietzestraße sich für die drei Familien einsetzen, die sie nun kennen und schätzen gelernt haben. Wir bitten Sie und diese Menschen aber um Verständnis, dass ein Verbleib in den Wohnungen nicht möglich ist. fördern und wohnen hat die Aufgabe, tausende Menschen unterzubringen. Immer wieder laufen Mietverträge und Nutzungsgenehmigungen aus, und Menschen müssen umziehen. Dies verlangt manchen Betroffenen viel ab, und wir bedauern das. Vermeiden können wir es leider nicht.“
Das für die meisten undurchsichtige Dickicht an Vorschriften für Menschen, die nach Deutschland flüchten, macht es vor allem Menschen schwer, die einfach anpacken und den Ankömmlingen helfen. Die Mühe wird, so der häufige Eindruck, mit Füßen getreten. Und auch die Aussicht auf Erfolg in dem aktuellen Fall scheint gering. Auch wenn sich die Behörden aufgrund des massiven Widerstands der Flüchtlingsfamilien und deren Netzwerk dazu entschließen sollten, die Familien dort noch etwas länger unterzubringen als ursprünglich geplant: Ausziehen müssen Sie dort spätestens dann, wenn ihr Asylantrag bewilligt wurde und ein positiver Asylbescheid vorliegt. Denn dann dürfen bzw. müssen sie offiziell selbst auf Wohnungssuche gehen und sich eine Arbeit suchen. Doch dahin ist es oftmals ein weiter, und sehr langer Weg…
Letzte Änderung am Freitag, 25 November 2016 12:18