Allerdings haben schon die Eltern der heutigen Landwirte-Generation einen enormen Wandel erlebt: Bis kurz vor dem zweiten Weltkrieg lebten auf einem Bauernhof noch Hühner, Schweine, Kühe und Menschen. Durch den Europäischen Markt und moderne landwirtschaftliche Produktionsmethoden hat sich das Berufsbild stark gewandelt. In Rissen und Sülldorf gibt es nur noch zwei Betriebe, die mit ihren Kühen Milch produzieren. Und zwar nicht mit Tieren, die in Massen durch motorgetriebene Anlagen bewegt werden, sondern gesunde Kühe, die täglich draußen saftige Rissener und Sülldorfer Weiden durchstreifen. Die meisten Landwirte mussten ihren Betrieb umstellen und sind inzwischen Anlauf- oder sogar Lebensmittelpunkt für viele Elbvorortler, die hier ihrem Reitsport nachgehen, ihre Freizeit auf einem der Höfe gestalten oder dort arbeiten. Viele Schüler aus dem Hamburger Westen lernen hinter der Sülldorfer Bahnschranke reiten oder haben hier Landluft geschnuppert. „Strom kommt ja auch nicht einfach so aus der Steckdose – und Lebensmittel wachsen nicht im Supermarkt!“ kommentiert Jan Lüneburg, bekannter Springreiter und inzwischen Pferdezüchter und Vorsitzender des Holsteiner-Verbandes, der im Rahmen einer Pressekonferenz in der Grundschule „Lehmkuhle“ seine Kollegen in der Feldmark unterstützt.
Die Landwirte fürchten nun, dass alle Investitionen, ihre Arbeit oder die ihrer Vorfahren umsonst waren. Denn mit dem „Einfrieren“ der derzeitigen Bebauungsgrenzen und der zusätzlichen Belastung mit weiteren Naturschutzauflagen und Ausgleichsflächen widersprechen sich ganze Passagen des Bebauungsplanes. Ein Beispiel: Wenn sich aufgrund von Änderungen im Tierschutzgesetz die Boxen für Pferde vergrößert werden müssten, würde sich das auf die Größe der jetzt vorhandenen Stallungen auswirken. Wenn das aber nicht möglich ist, weil die Bebauungsgrenzen zu eng gehalten sind, müssten Boxen wegfallen. Der wirtschaftliche Schaden wäre immens. Ein Gutachten im Auftrag der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation Hamburg ergab, dass der Bebauungsplanentwurf sechs landwirtschaftliche Betriebe in ihrer Existenz akut gefährdet, für 10 weitere kann der Gutachter eine Gefährdung nicht ausschließen. Käme der Bebauungsplan in der jetzigen Form, würden sich viele junge Landwirte wohl nach einer Alternative umschauen. Für die Elbvororte ein herber Verlust.
Ganz direkt betroffen sind 18 landwirtschaftliche Betriebe in der Feldmark, die sich im Verein zum Erhalt der Kulturlandschaft Rissen-Sülldorf e.V. zusammengeschlossen haben, um mit einer Stimme zu sprechen.
Der Vorsitzende ist Alexander Ramcke, 29 Jahre alt, lebt mit seinen Eltern und seiner Lebensgefährtin Carolin Dudzinski sowie Hofhund Aiwy auf einem Reiterhof. Erst seit eineinhalb Jahren führt er das Unternehmen gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin.
Für ihn ist sein Beruf Berufung: „Seit dem ich denken kann, war es immer mein Ziel, den Betrieb eines Tages zu übernehmen und die Tradition meiner Vorfahren weiter zu führen. Landwirt zu sein bedeutet, eng mit der Natur zu arbeiten, denn sie ist unsere Lebensgrundlage. Jedes Jahr auf’s Neue produzieren wir mit ihrer Hilfe wertvolle Futtermittel für unsere Tiere. Es ist jeden Sommer wieder eine Herausforderung, den optimalen Schnittzeitpunkt zu treffen. Das besondere an meinem Beruf ist außerdem der Kontakt zu unseren Kunden. Bei uns findet jeder Erholung, vom kleinen Kind bis zum erfolgreichen Geschäftsmann. Unser Hof ist eine Begegnungsstätte für Menschen aller Generationen, die hier Erholung und Sport suchen, um einfach mal abzuschalten. Und das erfreut mich jeden Tag.“
Die Nähe zur Stadt macht diesen Mix der Gesellschaft aus Jung und Alt erst möglich. In Sülldorf können auch Berufstätige direkt nach der Arbeit ganz schnell Erholung finden, ohne Kilometer weit fahren zu müssen. Für Ramcke ist Sülldorf seine Heimat. Die hat er quasi mit der Muttermilch aufgesogen, denn das geht hier schon seit Generationen so. „Die emotionale Bindung, die ich zu Sülldorf habe, besteht schon seit 14 Generationen, da kann man nicht einfach an einen anderen X-beliebigen Ort ziehen und dort einfach weiter machen. Landwirtschaft und gerade diese Art der Landwirtschaft, die hier in Sülldorf lebt, ist keine Säge, die überall gleich gut sägt. Wir und unser Hof gehören nach Sülldorf und möchten einfach so weiter wirtschaften können wie es schon seit Jahrzenten hier getan wird.“ Wenn er einen Blick in die Zukunft wagen sollte, wie sähe dann der Hof seiner Träume aus? „Ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir mit der Zeit gehen können und uns entwickeln dürfen und das auch noch in 15 oder 20 Jahren. Und dabei nicht durch Restriktion die heute durch die Politik in Altona geschürt werden, eingeschränkt und geknebelt sind.“