80 Millionen Bundestrainer...?!
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Elbvororte (23.04.2016, Kommentar von Joy Dahlgrün-Krall) · Vor rund zwei Jahren wurde Deutschland FußballWeltmeister. Anfühlen tut es sich wie gestern, doch wenn man Siegtorschützen Mario Götze betrachtet, scheint eine Ewigkeit zwischen dem Finale in Rio und der Europameisterschaft in diesem Jahr zu liegen. Götze spielt beim FC Bayern München nur noch eine untergeordnete Rolle, auch Bastian Schweinsteiger ist nicht gerade auf der Überholspur in Manchester unterwegs. Ob sich dies unter José Mourinho ändern wird, bleibt abzuwarten. Auch wenn sie verletzungsfrei in die neue Saison gehen würden. Lukas Podolski fällt eher durch seine Posts auf Instagram auf und Miroslav Klose, Per Mertesacker und Philipp Lahm haben ihre Karriere in der Nationalmannschaft bereits beendet.
Vieles ist neu, vieles ist anders und eigentlich spricht nicht viel für das deutsche Team. Zumindest meiner Meinung nach. Der Druck auf „Die Mannschaft“ wird auch weitaus höher sein als 2014. Man kann froh sein über die Vorrundenauslosung. Mit der Ukraine, Polen und Nordirland hat man eine machbare Aufgabe gestellt bekommen. Wäre ich nun abergläubisch (übrigens spielt Aberglaube eine große Rolle im Fußball), könnte ich den Ausfall von Marco Reus und die nicht Nominierung von Max Kruse als gutes Zeichen interpretieren.
Bitte nicht falsch verstehen: Ich gönne jedem das Ticket für ein Turnier und wünsche niemandem eine Verletzung, aber die Statistik (es ist wie es ist) zeigen mir, dass man ohne die beiden einen Titel gewinnen kann. Mit ihnen vielleicht auch, aber wir werden es zumindest in den kommenden zwei Jahren nicht überprüfen können. Zudem sind die Parallelen zur WM einfach zu frappierend. Kruse ist vor dem Turnier erneut negativ aufgefallen, genauso wie bereits 2014 und Reus plagt erneut eine Verletzung, ebenso wie 2014.
Nachdem ich das Buch „Die Zukunft des Fussballs“ von Ralf Lorenzen und Jörg Marwedel gelesen habe, frage ich mich übrigens, was wohl schwerer ist: Einem Jungen zu sagen, dass er keine Zukunft im Profifußball hat oder einem Profi mitzuteilen, dass er nicht mit zur EM oder WM fährt.
Weitaus erfreulicher liefen mit großer Sicherheit die Gespräche mit Joshua Kimmich (Bayern München), Julian Weigl (Borussia Dortmund) und Leroy Sané (FC Schalke 04). Zur WM zählten zu den Überraschungskandidaten noch Christoph Kramer (dieses Mal nicht dabei) und Shkodran Mustafi, den wohl wirklich die wenigsten auf dem Zettel hatten. Beide überzeugten, Kramers Gehirnerschütterung im WM-Finale wird keiner vergessen, ebenso wenig wie eben Götzes Treffer.
Ich freue mich auf die EM – unabhängig davon, wer sie für sich entscheidet. Worauf ich mich nicht freue, sind 80 Millionen Bundestrainer und dass jeder, aber wirklich auch jeder, wieder der Meinung sein wird, Ahnung vom Fußball zu haben. Aber damit muss man wohl leben.
Joy Dahlgrün-Krall (30) war zehn Jahre lang Mitglied beim HSV und arbeitete vier Jahre für den FC St. Pauli im Bereich Medien. Seit 2013 betreut und berät sie Sportler in den Sozialen Medien.