Aus früheren Untersuchungen war bereits bekannt, dass Rembrandt für die Nachtwache einen Quarz-Ton-Grund verwendet hatte. In früheren Gemälden hatte er eine doppelte Grundierung verwendet, die aus einer ersten Grundierung mit roten Erdpigmenten und einer zweiten, Bleiweiß-haltigen Grundierung bestand. Das große Format der Nachtwache von mehr als dreieinhalb mal vier Metern mag Rembrandt dazu bewogen haben, nach einer billigeren, weniger schweren und flexibleren Alternative für die Grundierung zu suchen. Eine weitere Herausforderung war, dass die große Leinwand für eine relativ feuchte Außenwand des großen Saals der Kloveniersdoelen (Schießstand der Musketiere) in Amsterdam bestimmt war. Und unter feuchten Bedingungen konnte die übliche Methode, die Leinwand mit Tierleim vorzubereiten, versagen. Eine zeitgenössische Quelle über Maltechniken von Théodore de Mayerne schlug als Alternative die Imprägnierung mit bleihaltigem Öl vor. Dies könnte Rembrandt zu seinem ungewöhnlichen Imprägnierverfahren inspiriert haben, um die Haltbarkeit seines Meisterwerks zu verbessern.
Computergestützte Bildgebung
Das Vorhandensein dieser bleihaltigen „Schicht“ wurde durch den erstmaligen Einsatz von korrelierter Röntgenfluoreszenz und ptychographischer Nanotomographie an einer historischen Gemäldeprobe entdeckt. Diese Untersuchungen fanden an der PETRA III-Strahlführung P06 bei DESY statt. Die Röntgenfluoreszenz wird eingesetzt, um die Verteilung relativ schwerer Elemente (Kalzium und schwerer) zu untersuchen. Die Ptychographie, ein computergestütztes bildgebendes Verfahren, das auf experimentell gewonnenen Datensätzen basiert, ist wiederum in der Lage, selbst die leichtesten Elemente und organischen Anteile sichtbar zu machen.
Die Analyse der Mikroprobe aus der Nachtwache ergab, dass auf der Seite der Probe, die der Leinwandunterlage am nächsten lag, eine homogene Schicht aus fein verteiltem Blei in der Grundschicht vorhanden war. Da Bleikomponenten in der Quarz-Ton-Grundschicht nicht zu erwarten waren, gab diese Beobachtung Rätsel auf. Die Ergebnisse wurden dann mit der Bleiverteilungskarte der gesamten Nachtwache kombiniert, die durch Röntgenfluoreszenz-Scannen des Gemäldes in der Ehrengalerie des Rijksmuseums erstellt wurde. Diese Karte zeigt das Vorhandensein von Blei auf dem gesamten Gemälde und deutet darauf hin, dass dieses mit großen halbkreisförmigen Pinselstrichen aufgetragen wurde. Das stützt die Annahme, dass es von einem Imprägnierungsverfahren herrührt. „Sogar ein Abdruck des Original-Malrahmens, auf das die Leinwand beim Auftragen der vorbereitenden Schichten gespannt war, ist in der Bleiverteilungskarte sichtbar. Dies bringt uns dem Verständnis von Rembrandts kreativem Prozess beim Malen der Nachtwache sowie dem heutigen Zustand des Gemäldes einen weiteren Schritt näher“, sagt die Erstautorin der Arbeit, Fréderique Broers. Sie ist Forscherin am Rijksmuseum und Doktorandin an den Universitäten Amsterdam, Antwerpen und Utrecht. Sie wird dort von den Lehrenden Katrien Keune, Koen Janssens und Florian Meirer betreut.
Die Forschung ist Teil des Forschungsprojekts 3D Understanding of Degradation Products in Paintings des Netherlands Institute for Conservation+Art+Science+ (NICAS), das vom niederländischen Forschungsrat NWO finanziert wird.